Jumelage
In diesem Jahr 2023 begehen wir nicht nur 40 Jahre Jumelage mit Chaponnay, auch der zugrundeliegende Élysée-Vertrag feiert in diesen Tagen sein 60jähriges Jubiläum.
Aus ehemaligen Feinden sollten Freunde werden – das war das Ziel des Élysée-Vertrags von 1963, keine Selbstverständlichkeit nur 18 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Am 22. Januar 1963 unterzeichneten Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle im Pariser Élysée-Palast eine „Gemeinsame Erklärung“ und den „Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit“ – kurz Élysée-Vertrag.
Lange Zeit waren Deutschland und Frankreich verfeindet, sogar von Erbfeinden war die Rede. 1871 wurde nach dem Deutsch-Französischen Krieg das deutsche Kaiserreich in einem für Frankreich demütigenden Akt in Versailles proklamiert. Zwischen 1914 und 1918/19 sowie zwischen 1939 und 1945 führten beide Völker verheerende Kriege mit Millionen Toten. Eine Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich schien nach 1945 vielen Zeitgenossen unvorstellbar, doch der Vertrag sollte die Aussöhnung zwischen den Völkern offiziell besiegeln.
Frankreich und Deutschland – es gibt in der Europäischen Union (EU) keine zwei Mitgliedstaaten, die für den europäischen Integrationsprozess derart wichtig waren und es auch zukünftig sein werden. Das Besondere dieser Beziehung erklärt sich durch die Aussöhnung zweier lange Zeit verfeindeter Länder nach 1945. Ein wesentliches institutionelles Fundament der deutsch-französischen Partnerschaft ist eben dieser Élysée-Vertrag, der einen qualitativen Sprung in der Annäherung beider Staaten darstellte und die nach dem Zweiten Weltkrieg begonnene Aussöhnung „krönte“.
Charles de Gaulle und Konrad Adenauer versicherten sich in dem heute auch als Jahrhundertvertrag gewerteten Abkommen ihrer gegenseitigen Überzeugung, „dass die Versöhnung zwischen dem deutschen und dem französischen Volk, die eine jahrhundertealte Rivalität beendet, ein geschichtliches Ereignis darstellt, das das Verhältnis der beiden Völker zueinander von Grund auf neugestaltet“. Hintergrund des Abkommens war die Erkenntnis auf beiden Seiten, dass nur durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland ein vereintes und damit friedliches Europa zu erreichen sei.
Der Vertrag enthält drei Kernvereinbarungen:
- Festgelegt wurde ein verbindlicher Konsultationsmechanismus, der auf höchster Ebene zwischen Präsident und Kanzler wie auch auf der Ebene der Minister und leitenden Ministerialbeamten gilt und der Zusammenarbeit einen Automatismus verleihen soll. Vereinbart wurde, dass die Staats- und Regierungschefs sich mindestens zweimal jährlich treffen, die Außenminister mindestens alle drei Monate, Direktoren anderer Ministerien monatlich.
- Außerdem verpflichtet der Vertrag die Regierungen beider Länder dazu, sich in allen wichtigen Fragen der Außen-, Europa- und Verteidigungspolitik abzusprechen und wenn möglich zu einer gemeinsamen Haltung zu gelangen.
- Weiter wurde beschlossen, sich gemeinsam den Erziehungs- und Jugendfragen zu widmen, um so eine Brücke für die Zukunft zwischen beiden Ländern zu schlagen. Ein konkretes Ergebnis dieses Beschlusses war die Schaffung des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW) im Juli 1963. Das Jugendwerk ermöglicht seitdem jedes Jahr Treffen zwischen Jugendlichen beider Völker. Seit seiner Gründung hat das DFJW rund acht Millionen jungen Deutschen und Franzosen die Teilnahme an etwa 300.000 Austauschprogrammen ermöglicht.
Der Élysée-Vertrag gilt heute als das Fundament der engen deutsch-französischen Freundschaft. Eine bemerkenswerte Entwicklung, lag doch ein Jahrhundert voller Feindschaft und schrecklicher Kriege hinter Deutschland und Frankreich. Die „verlorenen Provinzen“, wie das Elsass und die Mosel-Region, der Erste Weltkrieg und der Versailler Vertrag sowie der Zweite Weltkrieg und die folgende Besatzungszeit standen zwischen den beiden Ländern.
Und doch gelang nach dem Zweiten Weltkrieg die Aussöhnung, für die der Élysée-Vertrag ein Meilenstein war. In Bezug auf die Einigung Europas gilt der Élysée-Vertrag heute auch als „Getriebe“ im häufig zitierten „deutsch-französischen Motor“. Der Élysée-Vertrag hat die Entwicklung einer Freundschaft zwischen Franzosen und Deutschen ermöglicht und bleibt die politische, rechtliche und symbolische Grundlage für eine beispielhafte Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten.
Dieser Élysée-Vertrag wird im großen gedacht und im kleinen gelebt. Wir freuen uns, mit den Freunden aus Chaponnay im selben Jahr dieses Jubiläum feiern zu können, am Wochenende vom 29. September bis zum 1. Oktober 2023 in Steinhausen a.d.R.
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